Von der Ethologie zur Kulturethologie"Jedes Lebewesen ist durch 2 Faktoren determiniert. Der eine ist die phylogenetische Vergangenheit, der andere die ökologische Gegenwart" (Otto Koenig, in: Urmotiv Auge, 1975,p.26) Das Verhältnis von Anlage und Umwelt, welches nach Otto Koenig jedes Lebewesen bestimmt, ist als Schnittpunkt eines zeitlichen Längsschnittsystems (historische Entwicklung, stammesgeschichtliche Verwandtschaft) und eines räumlichen Querschnittsystems (aktuelles Nebeneinander der Lebewesen und ihre verschiedenen Umwelteinpassungen) zu verstehen.
Ethologie (Vergleichende Verhaltensforschung)Die Vergleichende Verhaltensforschung entwickelt sich aus der Suche nach Stammesverwandtschaften der Arten. Ausgehend von mittels Beobachtung und Dokumentation erarbeiteten Verhaltenskatalogen (Ethogramm, Aktionssystem) möglichst vieler Tierarten kann durch deren Vergleich auf stammesgeschichtliche Verwandtschaften geschlossen werden. Von Anfang an bezieht die an der Biologischen Station Wilhelminenberg betriebene Vergleichende Verhaltensforschung auch den Menschen in ihre Überlegungen ein. Über den Weg der Tierbeobachtung soll im Rückschluß auf zugrundeliegende stammesgeschichtlich festgelegte Gesetzmäßigkeiten auch das Verhalten des Menschen erforscht werden. "Wachsende Seele" nennt Otto Koenig einen der ersten Schwerpunkte, um vom Tier ausgehend zum Menschen vorzudringen. "Der Mensch war durch grob geschätzt vierzigtausend Generationen Altsteinzeit ein Kleingruppenwesen, das ein Revier verteidigt, das in der Familie lebt, das draußen jagt und sammelt, taglebend ist und sich in der Nacht in eine Höhle zurückzieht. Und diese "Ureigenschaften" sind uns genetsich fest verankert geblieben, denn wir Jetztmenschen haben gegenüber vierzigtausend Generationen Altsteinzeit ja nur rund dreihundert Generationen Jungsteinzeit, Bronzezeit, Eisenzeit und Gegenwart aufzuweisen......Dies sollte man sich immer vor Augen halten, um zu verstehen, daß in uns allen nach wie vor der altsteinzeitliche Jäger und Sammler mit seinen übererbten Verhaltensmustern steckt. Wer dieses Übergewicht der vierzigtausend Generationen Altsteinzeit richtig erfaßt, wird vielleicht die Ansätze der Vergleichenden Verhaltensforschung besser verstehen und werten können." Seine Annahme, daß sich biologische und kulturelle Wandlungsvorgänge nach grundsätzlich gleichen Abläufen vollziehen, führt Otto Koenig zur Formulierung der Kulturethologie.
KulturethologieOtto Koenig gilt als der Begründer dieses Forschungszweiges, der sich als Teil der Ethologie (Vergleichende Verhaltensforschung) versteht und deren Grundannahmen teilt. 1970 definiert Otto Koenig in seinem Buch Kultur und Verhaltensforschung "Kulturethologie" als eine
Uniform- und TrachtenkundeBeim Aufspüren von Beweisen für allgemein gültige Entwicklungs- und Wandlungsgesetze im menschlichen Kulturgeschehen wird Otto Koenig in der Uniform- und Trachtenkunde fündig, die er mit enzyklopädischem Fachwissen und oft verblüffender Zusammenschau betreibt. Das historische Quellenmaterial für die empirische Überprüfung seiner Hypothesen findet er in öffentlichen Sammlungsbeständen und in der ca. 6000 Bände zählenden Bibliothek des Vaters. "Da ich mich von Jugend auf ebenso intensiv mit Uniformen und Trachten wie mit Tieren befaßte, lange genug selbst uniformierten Organisationen angehörte und außerdem im Mitarbeiterkreis des Wilhelminenberger Akademie-Institutes die Entwicklung einer eigenen Arbeitstracht verfolgen konnte, ist es verständlich, daß eine solche biologische Uniformuntersuchung gerade auf dem Wilhelminenberg unternommen wurde." (Otto Koenig, in: Kultur und Verhaltensforschung, 1970, p.34)
Urmotiv Auge
Seine kulturethologischen Erkenntnisse über das Augenmotiv stellt Otto Koenig in den beiden Publikationen Kultur und Verhaltensforschung, 1970, sowie umfassend in Urmotiv Auge, 1975,zusammen. (Publikationen)
"Denn der Mensch ist ja ein Lebewesen wie jedes andere auf unserem Planeten. Die Kulturethologie hat als erste Wissenschaft damit begonnen, Kultur mit Ökologie und Biologie zusammenzubringen, wobei sich bisher jedes untersuchte Phänomen als sinnvolle, aus allen drei Komponenten gebildete Funktionsverschränkung erwies. Kultur ist die Wachstumsspitze der Stammesgeschichte, sie ist die Triebfeder des Wandels und muß daher a priori biologisch funktionieren. Es gibt daher auch keine Tierart, die ohne kulturelle Einpassung existieren könnte." Die Annahme Otto Koenigs, daß auch der Mensch und seine Kultur biologisch-ökologischen Verhaltensgesetzen unterworfen sind, bleibt nicht unwidersprochen und zieht insbesondere die Kritik von Geistes- und Sozialwissenschaftlern nach sich.
Matreier GesprächeZu Pfingsten 1964 kommen Otto und Lilli Koenig zum ersten mal nach Matrei in Osttirol, das für sie zu einem "Schicksalsort" werden soll. Sie besuchen einen einheimischen Maskenschnitzer und lassen sich vom Winterbrauchtum während der Nikolaustage ("Klaubaufgehen") erzählen.
1970 organisiert Otto Koenig in Matrei das "4. Hamburger Symposium", ab 1976 die "Matreier Gespräche für interdisziplinäre Kulturforschung" , welche alljährlich zwischen 3. und 7. Dezember im Gasthof Hinteregger bis heute stattfinden.
Tiroler SchützenEbenfalls als interessantes Studiengebiet für Otto Koenig erweisen sich die Tiroler Schützenkompanien (Tiroler Schuetzen , Schuetzen Lienz). Neben ihrer von Brauchtum und Tradition geprägten Geschichte bildet das Uniform- und Trachtenwesen einen Anziehungspunkt für kulturethologische Untersuchungen (Kulturethologie).
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