Reisen, beobachten und dokumentieren
"Man interessiert sich für einen Gegenstand, für ein Objekt so brennend, daß man ständig mehr und
mehr darüber in Erfahrung bringen will, und zum Schluß merkt man plötzlich: Jetzt habe ich eigentlich wissenschaftliche Arbeit geleistet! Bei mir bildete die Tierfotografie eine der Grundlagen". (Otto Koenig, in: "Beim Menschen beginnen". Otto Koenig im Gespräch mit Kurt Mündl, 1991, p.81)
Beobachtung
"Gründliches Freilandstudium, sorgfältig angepaßte Haltungstechnik und geduldig stilles Beobachten" bezeichnet Otto Koenig als wesentliche Voraussetzungen für die empirische Arbeit in der Ethologie (Vergleichende Verhaltensforschung) (Otto Koenig, in: Urmotiv Auge, 1975, p.29)
Erstes Ziel ist die mittels intensiver Beobachtung durchgeführte Erstellung eines exakten Katalogs aller einem Tier eigenen Verhaltensweisen, des sog. Aktionssystems, um später durch den Vergleich unterschiedlicher Verhaltenssysteme stammesgeschichtlichen Entwicklungen nachgehen zu können.
Aktionssystem = die Gesamtheit aller Verhaltens- und Leistungsmöglichkeiten einer Tierart.
Der Ausdruck Aktionssystem geht auf H.S. Jennings (1906) zurück und war die am Wilhelminenberg gebräuchliche Bezeichnung statt des in der Verhaltensforschung häufig verwendeten Ethogramms. |
Durch genaue Beobachtung können auch die Umwelteinpassungen einer Tierart festgestellt werden:
"Wie paßt sich ein Tier seiner unmittelbaren Umwelt an? Wie stark sind arttypische Verhaltensweisen vom Lebensraum abhängig? Wie benimmt sich zum Beispiel ein Schilfvogel in seinem angestammten Lebensraum, und wie, wenn ihm dieser nicht zur Verfügung steht? |
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Lilli Koenig mit Austernfischer am Wilhelminenberg, 1944
Foto: Privatarchiv Nachlass Otto Koenig |
Die Fortbewegung der Zwergrohrdommel etwa ist hochspezialisiert dem Schilfwald angepaßt und im Grunde jene, die auch der Mensch anwenden muß, will er mit unzerschnittenen Händen durch den Rohrwald gelangen: Es gilt, mit einwärts gekehrten Handrücken nach vorne zu greifen und die Halme mit den Handflächen hinter sich zu drücken. Was der Mensch mit den Händen tut, vollführt die Zwergdommel in völlig gleicher Weise mit ihren langen Zehen. Sie umgreift das Schilf mit auswärts gerichteten Zehen und drückt es nach hinten. Diese Zehen sind so sehr auf Greifen spezialisiert, daß der auf ebenem Boden flüchtende Vogel die Zehen sofort extrem zusammenkrümmt und nun auf nach außen gedrehten "Fäusten" sehr ungeschickt davonläuft. Für die Zwergrohrdommel ist Schilf etwas so unverzichtbar Vorgegebenes, daß sie ohne Halme einfach nicht existieren kann."
(Otto Koenig, in: "Beim Menschen beginnen". Otto Koenig im Gespräch mit Kurt Mündl, 1991, p.122) |
Dokumentation
Die von Otto Koenig und seinen Mitarbeitern beobachteten Aktionssysteme verschiedener Tierarten werden durch schriftliche Notizen, Zeichnung, Fotografie oder Film festgehalten. |
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Zeichnung Lilli Koenig
Foto: Privatarchiv Nachlass Otto Koenig |
Besonders der Film wird zum wichtigsten Dokumentationsmittel für die Verhaltensforschung, da durch ihn Verhaltensweisen nicht nur fixiert und für späteren Vergleich aufbewahrt werden können, sondern die Einstellungen von Zeitlupe und Zeitraffer wichtige Informationen über Abläufe ermöglichen, die der direkten Beobachtung nur schwer zugänglich sind. |
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Filmarbeit
Als Absolvent der Wiener Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt, Fachrichtung Fotografie, kann Otto Koenig die Fachkenntnisse in der Fotografie zunächst bei seinen Studien am Neusiedlersee einsetzen. 1939 arbeitet er für die Ufa als Berater bei Neusiedlersee-Filmen.
Ab 1945 versucht er an der Biologischen Station Wilhelminenberg die Filmarbeit mit einzubauen und ermutigt auch seine Mitarbeiter. Dank der großzügigen Spende einer 16-mm-Bolex-Filmkamera durch die Zoologische Gesellschaft in New York kann sehr bald mit der praktischen Filmarbeit begonnen werden.
Der Übergang vom Foto zum Film bringt einen großen Fortschritt in den Beobachtungs-Studien der Ethologie (Vergleichenden Verhaltensforschung), da dadurch die Feinanalyse von Bewegungsweisen überhaupt erst möglich wird. (Beobachtung)
Die Themen für seine Filmarbeit schöpft Otto Koenig aus der täglichen Beobachtung von Menschen und Tieren. Die meisten Filme, vor allem aus der Frühzeit seines Umgangs mit der Filmkamera, dokumentieren Verhaltensweisen von Tieren im Gehege und Freiland. Spätere Filmdokumente zeigen menschliches Verhalten im Alltag und zu besonderen Anlässen. (Von der Ethologie zur Kulturethologie, Matreier Gespräche, Tiroler Schützen). |
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Otto Koenig 1962
Foto: Verlag des ÖGB, im Privatarchiv Nachlass Otto Koenig |
Die Filmaufnahmen werden von Otto Koenig bei Vorträgen, Mitarbeiterbesprechungen an der Biologischen Station Wilhelminenberg, (Arbeitsprogramm) und Fernsehsendungen (Medienpräsenz) eingesetzt.
1952 wird im Rahmen der Encyclopaedia Cinematographica (EC) am Institut für den Wissenschaftlichen Film (IWF) in Göttingen eine eigene Sammlung von Kurzfilmen über Verhaltensweisen angelegt, zu der Otto Koenig und seine Mitarbeiter entscheidend beitragen. Otto Koenigs Initiative ist es auch zu verdanken, daß am IWK Göttingen und der Wiener Stelle BHWK (Bundesstaatliche Hauptstelle für Wissenschaftliche Kinematographie, Wien) ein eigenes Quellenarchiv aufgebaut wird, in dem die Filmmaterialien seiner speziellen Arbeitsrichtung, der Kulturethologie, aufbewahrt werden.
Otto Koenig wird langjähriges Mitglied des Redaktionsausschusses und Ehrenmitglied der EC.
Als Filmschaffender trägt er mit 186 Filmdokumenten zu dieser Sammlung bei. (Publikationen)
Reisen
Ab 1949 unternehmen Otto und Lilli Koenig und die Mitarbeiter der Biologischen Station Wilhelminenberg mit bescheidenen finanziellen Mitteln zahlreiche Studienreisen, um bisher kaum erforschte Tierarten in ihrem natürlichen Lebensraum zu untersuchen. Manche der Tiere werden auch auf den Wilhelminenberg mitgebracht.
Die Forschungsreisen führen die "Wilhelminenberger" nach Afrika, Süd- und Osteuropa, in die Türkei, aber auch nach Australien, Bali, oder Israel.
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1976 in Nabeul
Foto: Privatarchiv Nachlass Otto Koenig |
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Reisetagebuch Otto Koenig, Istanbul 1971
Foto: Privatarchiv Nachlass Otto Koenig |
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Reisetagebuch Otto Koenig, Türkei 1971
Foto: Privatarchiv Nachlass Otto Koenig |
Die Abenteuer und Ergebnisse der Afrika-Expeditionen faßt Otto Koenig in seinem Buch Kif-Kif. Menschliches und Tierisches zwischen Sahara und Wilhelminenberg, 1962, zusammen. |
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Otto und Lilli Koenig in N-Afrika, 1951
Foto: Privatarchiv Nachlass Otto Koenig |
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Zeichnung Lilli Koenig, Afrika 1951
Foto: Privatarchiv Nachlass Otto Koenig |
1954 läßt sich Otto Koenig auf einer der Reisen als Konsequenz eines "Gelübdes", da er in der Sahara beinahe verdurstet wäre, seinen typischen Bart wachsen.
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