Der Mensch als Zerstörer und Heiler:
Neue Wege im Naturschutz

"Er ist hinausgegangen in die Natur, hat dort voll Staunen und Begeisterung das erlebt, was wir gar nicht so ohne weiteres nachvollziehen können. Er hat das enge Zusammenwirken in der Ökologie gesehen, und es hat ihn sehr geschmerzt, daß gerade der Mensch es nicht geschafft hat, sich harmonisch in dieses ökologische Gleichgewicht einzufügen. Und das ist auch wahrscheinlich sein Vermächtnis an uns, hier hellhörig zu werden und uns stärker zu bemühen, im Einklang mit der Natur zu leben. Denn es wird sich bitter rächen, wenn wir auf Kosten der Umwelt versuchen, es uns allen gut gehen zu lassen. Wir sind auf diese Umwelt angewiesen, so wie auch sie auf uns angewiesen ist."
(Mag. J.Sartorius, Pfarrer der Evangelischen Pfarrgemeinde Klosterneuburg, in: Acht Gedenkreden für Otto Koenig, 1993, p.9)

Bereits 1936, bei seinen ersten Studien am Neusiedlersee kommt Otto Koenig zur der Erkenntnis, daß der Mensch gerade durch sein hohes zivilisatorisch-kulturelles Potential oft völlig naturfern agiert. Er ist es, der die Weiterexistenz des "Ökosystems Erde" gefährdet.

"Die Welt existierte in wunderbarer Pracht voll Leben über Milliarden Jahre, dann trat, vergleichbar der letzten Minute vor Mitternacht eines Vierundzwanzigstundentages, der Mensch auf den Plan. Er hat die Erde besiedelt, genützt, mißbraucht und so krank gemacht, daß sie sich heute gleichsam im Wechselfieber schüttelt.....Alles begann mit dem Auftreten dieser Spezies - es begann mit dem Menschen. Und jeder zu unternehmende Rettungsversuch kann nur bei ihm, dem Menschen beginnen. "(Otto Koenig, in: "Beim Menschen beginnen". Otto Koenig im Gespräch mit Kurt Mündl, 1991, pp.196)
Otto Koenig am Donaukraftwerk Greifenstein, 1984
Foto: Privatarchiv Nachlass Otto Koenig

 

Naturschutz an der Wende

Lange bevor die heutigen weltumspannenden Naturschutzorganisationen wie "WWF" oder "Green peace" gegründet wurden, setzen sich bereits Otto Koenig und die Mitarbeiter der Biologischen Station Wilhelminenberg für den Naturschutz ein. In den sechziger Jahren versuchen sie ihre Vorstellungen vom "Nationalpark Neusiedlersee"  und einem Reiherschutzgebiet durchzusetzen.

Neue Wege betritt Otto Koenig mit dem Konzept eines dynamischen Naturschutzes, der sich nicht allein im punktuellen, statischen Erhalt von Natur (z.B. in Form von Nationalparks oder Begrünungen) erschöpft, sondern ebenso dem gesamten Ökosystem Rechnung trägt.
  Otto Koenig am Donaukraftwerk Greifenstein, 1984
Foto: Privatarchiv Nachlass Otto Koenig

"Naturschutz bedeutet daher nicht kontinuierliche Konservierung, sondern Absicherung der Veränderung, des allmählichen Wandels eines scheinbar statischen Gesamtzustandes. Es geht um den "Schutz der Evolution". Der ehemalige Wiener Universitätsprofessor Ludwig Bertalanffy sprach daher auch nicht vom "Gleichgewicht", sondern vom "Fließgleichgewicht" in der Natur"
(Otto Koenig, in: Verhaltensforschung in Österreich -  Konrad Lorenz 80 Jahre, 1983, p.194)

Die Vorstellung von Systemschutz statt Panoramaschutz setzt intensive Grundlagenforschung der ökologischen Gegebenheiten voraus, um genau feststellen zu können, warum etwas gefährdet ist und wie helfend eingegriffen werden kann. Diesem neuen Natur- und Umweltschutzdenken trägt die Gründung des Instituts für angewandte Öko-Ethologie Rechnung.

Mit Hilfe der Formel "Lebensraum aus zweiter Hand" skizziert Otto Koenig den Weg, den ein Naturschutz gehen soll, der gleichermaßen die Dynamik der Evolution und die Natur des Menschen berücksichtigt.
In seinen Fernsehsendungen warnt Otto Koenig aber auch schon zu Zeiten, als Begriffe wie "Umweltzerstörung" und "Umweltschutz" noch gar nicht im Bewußtsein vieler Menschen verankert sind, vor den drohenden Gefahren und sagt viele kommende Entwicklungen voraus. (Medienpräsenz)


 

"Lebensraum aus zweiter Hand"

"Lebensraum aus zweiter Hand bedeutet, daß der Mensch mit eigener Hand die Wunden heilen hilft, die ein von heute auf morgen nicht ausrottbares Gesellschafts- und Wirtschaftssystem der Landschaft zugefügt hat." (Otto Koenig, in: "Beim Menschen beginnen". Otto Koenig im Gespräch mit Kurt Mündl, 1991, p.190)

Der Terminus wird von Otto Koenig zur Zeit der Hainburg-Diskussion 1984 erstmals in der Öffentlichkeit als "Bezeichnung für Landschaften, die nicht primär gewachsen sind, sondern im Gefolge menschlicher Eingriffe sekundär entstanden sind" gebraucht. (Otto Koenig, in: "Beim Menschen beginnen". Otto Koenig im Gespräch mit Kurt Mündl, 1991, p.186)

Beispiele für "Lebensraum aus zweiter Hand" in den Enns-Auen bei Staning
Fotos: Verein für Ökologie und Umweltforschung

"Soferne man umgestaltete Landschaftsteile nach ureigensten Gesetzen neu etabliert und nicht unter Müll, Schutt, Beton und Asphalt begräbt, werden sie immer wieder Platz für Leben bieten, das sich genauso natürlich, schön und interessant entfaltet, wie in jedem vergleichbaren "Lebensraum aus erster Hand", den der Mensch nicht verändert hat."
(Otto Koenig, in: "Beim Menschen beginnen". Otto Koenig im Gespräch mit Kurt Mündl, 1991, p.186)

Gießgang zwischen Altenwörth und Greifenstein als Beispiel für "Lebensraum aus zweiter Hand"
Foto: Verein für Ökologie und Umweltforschung

Die gegensätzlichen, konfliktreichen Einstellungen von Umweltschützern und Industrie versucht Otto Koenig aufzuheben, indem er zur Zusammenarbeit zwischen " Schützern" und "Schädigern" aufruft.

Otto Koenig plädiert für die Einbindung von Umweltfachleuten bereits ins Planungsstadium von neuen Industrieprojekten bzw. bei der ökologischen Verbesserung bisheriger Anlagen
Otto Koenig am Donaukraftwerk Greifenstein, 1984
Foto: Privatarchiv Nachlass Otto Koenig

"Daher ist es, abgesehen von der gewonnenen Energie, vorteilhaft, Wasser zurückzustauen. Die Stauseen können ein Segen für die Menschheit sein, denn ohne Wasser keine Wälder, ohne Wälder kein Schutz gegen Stein- und Erdrutsche, und am Ende steht die Wüste. Diese Warnung vor Austrocknung betrifft nicht nur die Donau-Auen, sondern die Situation der Alpenländer allgemein." (Otto Koenig, in: "Beim Menschen beginnen". Otto Koenig im Gespräch mit Kurt Mündl, 1991, p.183)
Stauraum Aschach. Aus Schlammablagerungen der Donau wird neuer Lebensraum für Wasservögel geschaffen.
Foto: Verein für Ökologie und Umweltforschung

 

Hainburg

Otto Koenigs Konzept vom "Lebensraum aus zweiter Hand" stößt auf öffentliche Kritik von Seiten vieler Umweltschützer und Fachkollegen, unter anderen auch von Konrad Lorenz, insbesondere als Otto Koenig für den Bau des Donaukraftwerkes Hainburg im Interesse einer Revitalisierung der austrocknenden Au eintritt.

"Tatsächlich werden jedoch beim derzeitigen Stand der Dinge die Auen von Jahr zu Jahr trockener und ihr Fortbestand ist befristet, sofern nicht eine Bewässerung ermöglicht wird. Anderseits wird Energie verbraucht, die noch zu einem großen Teil aus kalorischen Kraftwerken gewonnen wird. Die katastrophalen Auswirkungen der Verbrennungsabgase sind bekannt. Die einzige überregionale Energiequelle, die moralisch zu vertreten ist, bleibt die Wasserkraft. Sicherlich können auch Sonnen- und Windenergie genützt werden, aber diese Formen der Energiegewinnung sind nur in wenigen Ländern, und auch dann nur in kleinem Maßstab sinnvoll anwendbar".  (Otto Koenig, in: "Beim Menschen beginnen". Otto Koenig im Gespräch mit Kurt Mündl, 1991, p.183)


 

Institut für angewandte Öko-Ethologie

1982 von Otto Koenig zunächst mit einer Außenstelle begründet und bis zu seinem Tod 1992 geleitet.
 

Nachdem sich Otto Koenig Ende 1984 vom Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften völlig zurückzieht, lebt nun am Institut für angewandte Öko-Ethologie der Geist der Biologischen Station Wilhelminenberg weiter, äußerlich symbolisiert durch die Beibehaltung der früheren "Institutskluft" und der Embleme.
Silberreiher
Foto: Eberhard 2005

Das Institut für angewandte Öko-Ethologie besteht unter Otto Koenigs Leitung aus einem zentralen Sekretariat in Wien, vier Forschungsstellen (Leopoldsdorf/Marchfeld, Staning/Enns, Rosenburg/Waldviertel, Greifenstein/Donau) und einer assoziierten Sonderabteilung (Vogelpark Schmiding, OÖ).

Die einzelnen Abteilungen liegen unmittelbar in jenen Landschaftsgebieten, in denen auch gearbeitet wird. Zum ursprünglichen Arbeitsprogramm der Ethologie (Vergleichende Verhaltensforschung), Stammesverwandtschaften von Tierarten festzustellen, rückt nun vor allem die ökologische Einbindung in einen spezifischen Lebensraum in das Zentrum der Aufmerksamkeit (Beobachtung).

Am  Institut für angewandte Öko-Ethologie kann Otto Koenig seine Konzepte eines neuen Naturschutzgedankens (Naturschutz an der Wende) und des "Lebensraums aus zweiter Hand" im Dialog und durch projektbezogene Zusammenarbeit mit der Industrie, insbesondere der Elektrizitätswirtschaft, auch praktisch verwirklichen.

Juridischer Trägerverein des Instituts für angewandte Öko-Ethologie ist die Forschungsgemeinschaft Wilhelminenberg, welche ihrerseits Mitglied des 1984 gegründeten Vereins für Ökologie und Umweltforschung ist, der die Finanzierung des Gesamtapparates sicherstellt.